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Oberweissbacher Bilder & Geschichten - 8


Die "Raanzerte" kommen

Heimatgeschichtliches von Ulla Heinze

Heute möchte ich einmal eine kleine Geschichte über unsere Vorfahren - als Olitätenhändler - erzählen, die sich laut Überlieferung, doch einmal so zugetragen hat. Ich entnahm sie aus den Aufzeichnungen meines verehrten Heimatkundelehrers, Hernn Fritz Gärtner, aus Oberweißbach.

Es war ein schöner Vorfrühlingstag. Die Sonne schien warm vom wolkenlosen Himmel und war dem Schnee schon tüchtig zu Leibe gerückt. Nur im Walde hat sie der dichten Schneedecke noch nichts anhaben können. Alle Wege waren aufgeweicht und standen voller Pfützen. Doch das machte den beiden schwerbepackten Männern, die von Cursdorf kommend, auf den schmalen Jagdpfad der kleinen Häusergruppe von Herrnhaus zustrebten, nichts aus ! Sie hatten derbes, gut geschmiertes Schuhwerk, das kein Wasser durchlies. Beide trugen lange braune Röcke, die bis zu den Knien reichten, rote Jacken und weise Halstücher.

Der eine schleppte ein großes hölzernes Tragegestell, ein sogenanntes "Raff".auf den Rücken, vollbeladen mit großen Spanschachteln und einen hohen Tonkrug. Der andere hatte einen schweren Lederranzen aufgehockt. Es waren die Oberweißbacher Balsamträger Jakob Sperschneider und Lorenz Anders, die zu Ihrer diesjährigen Reise ins Bayernland aufgebrochen waren.Sie hatten kaum die ersten Häuser von Herrnhaus ( heute Neuhaus) erreicht, als ihnen aus einer Lücke der Spottruf Raanzert , Raanzert entgegenschallte.

Ein paar halbwüchsige Buben suchten schnell das Weite. Die beiden Wanderer drehten sich lachend um und drohten den Schlingeln gutmüdig mit erhobenen Finger. Sie waren es gewohnt auf diese Weise geneckt zu werden, und wussten, daß man ihre Heimat, das Gebiet um Oberweißbach, nur als die Raanz bezeichnete.

"Die Jungen hier oben und draußen in der Lausch sind genau wie die Alten". Meinte Lorenz. "Immer hört man sie nur spotten und necken: Raanzert, Buckelapotheker ! Und dabei müßten sie doch froh sein, das wir ihnen Brot und Arbeit geben und ihn ihre Spanschachteln und Glasfläschchen abnehmen. Ich möchte nicht mit denen hier tauschen", gestand der etwas jüngere Jakob. "Die hocken ihr ganzes Leben in ihrem einsamen Waldnest. Ich fühle mich nur Wohl, wenn ich in die Welt hinaus wandern kann. Der Winter hat mir dieses jahr schon viel zu lange gedauert. Aber nun wollen wir einen Schritt zulegen. Wir müssen heute Abend noch in Coburg sein ! An die 60 km Tagesmarsch muß man sich nach der langen Winterruhe erst wieder gewöhnen".

Das war die Geschichte unserer Vorfahren !